KI im Unternehmen: Rebound-Effekte? Suffizienz? Passt das zusammen?
KI im Unternehmen: Rebound-Effekte? Suffizienz? Passt das zusammen?
Kürzlich wurde ich von Tim Werken für seine Masterarbeit im Studiengang Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement (HNEE) interviewt. Im Gespräch haben wir uns intensiv mit seiner Forschungsfrage auseinandergesetzt:
Welche Rolle spielen Rebound-Effekte bei der Nutzung von generativer KI in Unternehmen – und wie können suffizienzorientierte Governance-Ansätze ökologische Auswirkungen beeinflussen?
Eine spannende Fragestellung, die weit über reine Technologiebetrachtung hinausgeht. Viele Unternehmen stehen genau an dieser Schnittstelle: KI einführen, Zukunft gestalten – und gleichzeitig Verantwortung übernehmen. Hier möchte ich einige Gedanken teilen, die im Austausch entstanden sind.
Was bedeutet eigentlich…?
Um wissenschaftlich sauber zu arbeiten – und um Missverständnisse in Organisationen zu vermeiden – lohnt es sich, zentrale Begriffe gemeinsam einzuordnen. In unserem Gespräch haben wir vier Kernbegriffe herausgearbeitet:
- Generative KI – Modelle wie LLMs oder Bildgeneratoren, die Inhalte erzeugen und damit weit über klassische Automatisierung hinausgehen.
- Rebound-Effekte – Effizienzgewinne, die paradoxerweise zu mehr Energie- und Ressourcenverbrauch führen können.
- Suffizienz – ein bewusster, maßvoller Umgang mit Ressourcen, weit entfernt von einer „Verzichtslogik“, vielmehr eine Frage der Gestaltung von Zielen und Geschäftsmodellen.
- Governance – interne Regeln, Rollen und Verantwortlichkeiten, die festlegen, wie KI genutzt, gesteuert und überwacht wird.
Diese gemeinsame Klärung war notwendig, damit wir anschließend über Wirkmechanismen und Verantwortlichkeiten sprechen konnten.
Ebenen, auf denen Rebound-Effekte entstehen können
Ein wesentlicher Teil unserer Diskussion drehte sich um die verbreitete Annahme, generative KI sei automatisch nachhaltig. Wir waren uns schnell einig, dass dies einfach nicht sein kann.
Hinter jeder KI-Abfrage stehen Infrastrukturen, Energieflüsse und Materialverbräuche, die in typischen Business Cases kaum auftauchen. Rechenzentren, Hardware-Lebenszyklen, Kühlung oder globale Arbeitsteilung in Trainingsprozessen sind nur einige Beispiele dafür, dass Effizienzgewinne im Arbeitsprozess systemisch zu Mehrverbrauch führen können.
Viele Effizienzgewinne, die wir im Alltag positiv bewerten, lösen auf Systemebene Rebound-Effekte aus – und verschlechtern damit die ökologische Bilanz.
Interessant war dabei, dass wir beide feststellten: Die tatsächliche Berechnungsgrundlage, um diese Effekte exakt zu quantifizieren, ist uns zu diesem Zeitpunkt unklar. Ein weiterer Hinweis darauf, wie spannend dieses Feld ist.
Wir haben im Gespräch die Frage vertieft, wo Rebound-Effekte eigentlich sichtbar werden können. Herausgekommen sind vier Ebenen, die viele Organisationen betreffen:
1. Energie- und Infrastruktur-Rebound
Mehr KI-Nutzung bedeutet mehr Rechenleistung, mehr Energiebedarf und langfristig mehr Rechenzentren.
Ein Effekt, der schnell übersehen wird – aber massiv wirkt. Bekannt, aber wenig diskutiert.
2. Psychologischer Rebound
Zeitersparnis durch KI führt selten zu Entlastung.
Sie wird gefüllt – mit mehr Output, höherem Tempo, zusätzlichen Aufgaben.
Und: „Alle nutzen KI“ schafft sozialen Druck, ebenfalls nachzuziehen.
3. Kompetenz-Rebound
Wenn Analyse, Strukturierung oder Kommunikation an KI delegiert werden, können Kompetenzen erodieren. Hier verschieben Geschwindigkeit und blindes Vertrauen die Kompetenz des kritischen Denkens. Oder fordert sie umso mehr?
4. Tool-Anwendung-Rebound
Ein KI-Tool bleibt selten allein.
Abo-Modelle, parallele Systeme und Redundanzen erhöhen den Ressourcenverbrauch, ohne strategischen Mehrwert zu schaffen.
Wir haben gemeinsam festgestellt: Diese Effekte sind kein Randphänomen, sondern systemimmanent. Wer KI nutzt, muss diese Dynamiken kennen.
Warum Governance und Policy wichtig sind
Ein Gedanke, den wir abschließen lediglich andiskutiert hatten:
Suffizienz kann über das Thema Gesundheit der Mitarbeitenden wirksam werden.
KI-Systeme verstärken Nutzung – mehr Tempo, mehr Output, mehr Bildschirmzeit.
Genau hier kann ein gesundheitsorientierter Ansatz greifen:
- gezielte Pausen
- analoge Arbeitsphasen
- reduzierte Bildschirmzeiten
- gestärkte Erholungskompetenz
Über diesen Weg lässt sich Suffizienz praktisch erfahrbar machen, ohne den Charakter von Verzicht.
Menschen akzeptieren Maßnahmen eher, wenn klar ist, dass sie der eigenen Konzentration, Erholung und Belastbarkeit dienen. Und ganz nebenbei sinkt die exzessive Nutzung digitaler Systeme.
Was Unternehmen konkret tun können
Im Gespräch haben wir folgende Handlungsfelder identifiziert, die Unternehmen bereits heute adressieren können:
1. Begriffe klären:
Eine gemeinsame Sprache ist Grundlage guter Entscheidungen.
Ohne klare Definitionen im Umfeld der KI-Welt entstehen Fehlannahmen – und ineffektive Maßnahmen.
2. KI nach Leitlinien führen
Statt unkoordiniert Use Cases zu sammeln, sollte die Leitfrage lauten:
Welche Ziele verfolgen wir – und wo bringt KI echten Mehrwert?
Ein Total-Cost-of-Ownership-Ansatz könnte helfen, Rebound-Effekte frühzeitig mitzudenken.
3. Kompetenzen stärken
Es geht nicht um Tool-Bedienung, sondern um transformative Kompetenz: Probleme abstrahieren, Alternativen denken, Ergebnisse kritisch prüfen.
4. Rebound-Effekte langfristig beobachten
Unternehmen brauchen Instrumente, um Rebound-Effekte sichtbar zu machen.
Dieser Bereich hat aus meiner Sicht besonders viel Potenzial – vor allem, wenn Energiemanagement und Nachhaltigkeitskennzahlen zukünftig eine größere Rolle spielen.
Ein Hebel für Suffizienz? Gesundheit als Ansatzpunkt
Ein Gedanke, den wir abschließen lediglich andiskutiert hatten:
Suffizienz kann über das Thema Gesundheit der Mitarbeitenden wirksam werden.
KI-Systeme verstärken Nutzung – mehr Tempo, mehr Output, mehr Bildschirmzeit.
Genau hier kann ein gesundheitsorientierter Ansatz greifen:
- gezielte Pausen
- analoge Arbeitsphasen
- reduzierte Bildschirmzeiten
- gestärkte Erholungskompetenz
Über diesen Weg lässt sich Suffizienz praktisch erfahrbar machen, ohne den Charakter von Verzicht.
Menschen akzeptieren Maßnahmen eher, wenn klar ist, dass sie der eigenen Konzentration, Erholung und Belastbarkeit dienen. Und ganz nebenbei sinkt die exzessive Nutzung digitaler Systeme.
Fazit
Ich war der erste Interviewpartner zu dieser Forschungsfrage – und genau das macht es so spannend. Viele Perspektiven, Erfahrungen und Einschätzungen werden noch folgen, und ich bin selbst sehr neugierig, welche Muster sich daraus ergeben und wie sich das Gesamtbild weiter schärft.
Klar ist für mich aber schon jetzt: Der Blickwinkel, den Tim hier einnimmt – die Verbindung von generativer KI, Rebound-Effekten, Suffizienz und Governance – ist nicht nur wissenschaftlich relevant, sondern für Unternehmen hochaktuell.
Es lohnt sich, diese Fragen früh zu stellen und ernst zu nehmen. Die Ergebnisse der weiteren Interviews werden spannende Impulse liefern. Man kann wirklich gespannt sein.